Thema
Lebensmittelsicherheit
Fokus
Analytik & Food Supply Chain
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ca. 4 Minuten
Weil das Reinheitsgebot nicht alles klärt:
Die Analyse von Bier entlang der Wertschöpfungskette
Wussten Sie, dass die Idee eines Reinheitsgebots schon seit über 500 Jahren existiert?
Herzog Wilhelm IV erließ eine derartige Verordnung bereits im April 1516 und benannte darin Gerste, Hopfen und Wasser als alleinige Zutaten, um Bierfälschungen minderer Qualität zu verhindern. Er verbesserte damit Verbraucherschutz und Produktqualität und regulierte gleichzeitig die Verwendung von verschiedenen Getreidesorten.
Das Reinheitsgebot heute
Herzog Wilhelms Verordnung hatte allerdings nur etwa 35 Jahre Bestand, so dass später auch verschiedene Gewürze legitimiert wurden. Tatsächlich gab es im Laufe der Jahre zahlreiche Gesetze, die das Brauen von Bier in Deutschland regelten.
Heute definiert das Reinheitsgebot Hopfen, Malz, Hefe und Wasser als die vier einzigen Zutaten in der Bierherstellung.
Genauer gesagt, erlaubt das Reinheitsgebot für untergärige Biere nur Gerstenmalz, während für obergärige Biere auch andere Getreidesorten verwendet werden dürfen, so wie einige Zuckerarten und daraus hergestellte Farbstoffe.
Die Basisanalytik von Bier: Stammwürze und Alkohol
Zunächst geht es in der Analyse von Bier um die Bestimmung einiger Kernfaktoren, die das Bier lebensmittelrechtlich in verschiedene Gattungen einteilen.
Biergattungen anhand des Stammwürzegehalts
Die Grundlage der Unterteilung von Bier in Gattungen ist der Stammwürzegehalt. Es handelt sich hierbei um den Gehalt an löslichen Stoffen der ungegorenen Anstellwürze, aus der das Bier hergestellt wird. Er beeinflusst unter anderem auch den Geschmack, den Alkoholgehalt, Nährwert, Kohlensäuregehalt und sogar die Biersteuer.
Der Stammwürzegehalt wird aus dem Restextrakt- und dem Alkoholgehalt des Bieres berechnet. Die Biergattungen teilen sich wie folgt auf:
- Leichte Biere haben einen Stammwürzegehalt von unter 7g je 100g
- Schankbiere haben einen Stammwürzegehalt von 7 bis 11g je 100g
- Vollbiere haben einen Stammwürzegehalt von 11 bis 16g je 100g
- Starkbiere haben einen Stammwürzegehalt von über 16g je 100g
Toleranzen im Alkoholgehalt
Die Stammwürze ist außerdem der größte Einfluss im späteren Alkoholgehalt des fertigen Bieres. Hier gibt es ebenfalls Grenz- sowie Toleranzwerte für Abweichungen. Ein Bier mit einem ausgezeichneten Alkoholgehalt von bis zu 5,5% vol darf lediglich um 0,5% vol abweichen. Ab einem deklarierten Alkoholgehalt von über 5,5% vol ist eine Toleranz von 1,0% vol zulässig.Produkttypische Herausforderungen
Dankbarerweise ist Bier grundlegend ein sehr sicheres Lebensmittel. Die vier Zutaten für die Herstellung von Bier nach deutschem Reinheitsgebot, bringen sogar positive Eigenschaften mit: Sowohl die Inhaltsstoffe des Hopfens, der leicht saure pH-Wert, der Alkohol, als auch das Kohlendioxid im Bier hemmen das Wachstum von Krankheitserregern.
Nichtsdestotrotz garantiert das Reinheitsgebot keine absolute Lebensmittelsicherheit. Im Anbau, der Herstellung, Lagerung und der Lieferung kann das Getränk mit Stoffen in Kontakt kommen, die verschiedene Risiken bergen. Eine umfassende Analyse von Bier und seiner Wertschöpfungskette muss also auch auf diese Gefahren Rücksicht nehmen.
Herausforderung im Anbau: Bier-Analyse auf Pestizide
Bier besteht aus Rohstoffen, die angebaut werden und wie im Anbau vieler Lebensmittel üblich, wird hier auch mit Pflanzenschutzmitteln gearbeitet. Natürlich soll keines davon in das fertige Endprodukt gelangen, aber einige Pestizide überstehen zumindest teilweise den Brauprozess, so dass 2016 bei einer Analyse von Bieren Glyphosat entdeckt wurde. Seitdem haben die Brauereien deutlich nachgebessert, aber selbst in Bio-Bieren konnte noch Glyphosat nachgewiesen werden – wahrscheinlich durch den Einsatz auf Nachbarfeldern.
Herausforderung in der Herstellung: N-Nitrosodimethylamin
Während der Herstellung von Bier entsteht im Prozess der Trocknung und Röstung der gekeimten Gerste N-Nitrosodimethylamin, welches zu den gefährlichsten krebserregenden Substanden zählt. Als das Deutsche Krebsforschungszentrum 1978 größere Mengen dieses NDMA in Bier nachgewiesen hat, wurden konkrete Richtwerte eingeführt. Es gilt ein Höchstwert von 0,5μg je kg. Um die Bildung des Nitrosaminstoffes zu verringen, haben Brauereien z. B. die indirekte Trocknung der Gerste und zusätzliche interne Kontrollsysteme eingeführt, die zu einem spürbaren Rückgang von belasteten Proben führten.
Herausforderung in der Lagerung: Bier-Analyse auf Ochratoxine
Ochratoxine zählen zu den Mykotoxinen und sind weit verbreitet in vielen Lagerprodukten. Sie werden von typischen Lagerpilzen gebildet und können sich nierenschädigend auswirken. Tatsächlich haben europaweite Untersuchungen ergeben, dass in fast der gesamten Bevölkerung Ochratoxin A nachgewiesen werden kann. Neben Getreide und Kaffee gehört Bier zu den Produkten, die am meisten zur Belastung beitragen.
Herausforderung in der Lieferung: Laugenflaschen
Bier wird in Mehrwegflaschen verkauft, welche zuvor von den Abfüllbetrieben gereinigt werden müssen. Die Flaschenwaschmaschinen in diesem Prozess arbeiten mit Lauge. Hierbei kann es vorkommen, dass Laugenreste im Leergut verbleiben und vor der Befüllung nicht erkannt werden. Im schlimmsten Fall kann dies beim Endkunden zu Verätzungen führen. Um eine größere Sicherheit in diesem speziellen Fall zu gewährleisten, werden technische Inspektionseinrichtungen implementiert, die etwaige Laugenreste in Leergut automatisch erkennen.
Herausforderung im Ausschank: Schankanlagen
Die Betreiber einer Schankanlage sind dafür verantwortlich eine einwandfreie Beschaffenheit des Biers zu gewährleisten durch regelmäßige und gründliche Reinigung. Kommt ein Betrieb dieser Verantwortung nicht angemessen nach, können die gezapften Biere mikrobiologisch auffällig sein. Auch hier muss also kontrolliert werden, um das Risiko so gering wie möglich halten.
Die Lebensmittelsicherheit von Bier wird also nicht allein durch das Reinheitsgebot garantiert. Auf dem Weg vom Feld, über die Herstellung und Lagerung bis schließlich zum Endkunden entstehen verschiedene Risiken, die analysiert und bewertet werden müssen.